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POSTKARTEN BUCHTIPP: Das, was man so Leben nennt
Das Leben plätschert so vor sich hin. Arbeiten, einkaufen, lachen, essen, miteinander reden, sich lieben, zweifeln, ohne zu wissen, woran. Nichts Besonderes also. Halt das, was man so Alltag nennt. Man tut, was man tun muss, hat daneben das eine oder andere Projekt, das man nicht richtig vorwärtsbringt, weiss der Teufel, weshalb, wahrscheinlich liegts nur an einem selbst. Oder am Projekt, das vielleicht gar keines ist. Dazwischen gibt’s einen Drink mit Freunden, manchmal Ärger, vielleicht Ferien, die Eltern werden alt, man selbst auch, und irgendwie hat man den Eindruck, man verpasse etwas. Aber was?
Beim Lesen von Urs Zürchers Roman «Begehren» fühlt man sich wie in einer Videoinstallation, die den gleichen banalen Vorgang von verschiedenen Seiten zeigt und auf einmal faszinierend macht. Vier Geschichten sind es, die erzählt werden. Aus vier Perspektiven. Was heisst Geschichten? Fetzen von Geschichten, Flashs aus vier Leben, die zwischen Meetings, Handynachrichten und Feierabendbier zu zerrinnen drohen. Mara, Charly, Zora und Nico heissen sie. Ihre Wege kreuzen sich. In der Lesegesellschaft, man spricht ein paar Worte, sieht sich bald wieder, kennt sich, ohne sich zu kennen, und fragt sich manchmal gemeinsam, was denn das Ganze denn nun eigentlich soll.
Vier Menschen, die sich immer wieder begegnen, vier Geschichten, die sich kreuzen, parallel laufen, sich wieder auseinanderentwickeln. Auf einmal taucht Grace auf. Kein Mensch weiss, was sie hier will, aber irgendwie verändert sie das Gleichgewicht zwischen den vieren. Und macht erst bewusst, dass das, was zwischen ihnen herrscht, es so etwas wie ein Gleichgewicht ist. Oder sein könnte. Schliesslich trifft man sich zu einem gemeinsamen Abend in einer Waldhütte. Dezember, es ist kalt. Man trinkt, feiert, in der Hütte wird es warm, Grace braucht frische Luft. Und plötzlich beginnt es zu schneien.
Urs Zürcher: Begehren. Roman. Bilger-Verlag, Zürich 2023. 244 S., etwa Fr. 34.90.
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Siehe auch Urs Zürcher: «Überwintern»