POSTKARTEN BUCHTIPP: Harsche Wahrheit

Ein «Huara Saich!» empfängt die Lesenden gleich hinter dem Buchdeckel von «Tod im Val Fex». Der Fluch könnte einem Unterländer entschlüpfen, dem ein Fuder Schnee zwischen Jackenkragen und Mütze in den Nacken rutscht. Doch der Engadiner Andrea Gutgsell legt ihn zuhinterst in einem Silser Seitental, im Fextal, Kommissar Gubler in den Mund. Besser gesagt, Ex-Kommissar.
Das örtliche Tourismusbüro betitelt das Val Fex als schönstes Engadiner Hochtal. Selbst der stänkernde Ex-Kommissar und saisonale Schafhirt kann sich der zeitlosen Ruhe und mächtigen Naturschönheit nicht entziehen. Bei aufziehendem Sturm über einen Menschen am Gletscherfuss zu stolpern, lässt ihn jedoch zünftig fluchen. Der Wolf war diesmal nicht Täter, denn der Tote liegt schon Jahrzehnte im Eis. Doch wie kommt der junge, italienische Steinhauer, der mit seinen Kollegen in der klirrenden Winterzeit den berühmten Fexer Schiefer abbaute zu einer Schussverletzung? Der Kommissar verbeisst sich in die Spurensuche und ist überzeugt, der damalige Schmuggel über die weisse Grenze ziehe Fäden bis in die heutige Politik. Oder sind es die Lokalhistoriker, die mit ihrer Stiftung «Cheva Plattas da Fex» den 1965 stillgelegten Steinbruch als touristisches Juwel im Auge haben und über verwitterte «Fexerplatten» schlittern? Warum sind die Zeitzeugen so knausrig mit Worten?
Gutgesll schöpf in seinem Erstlingsroman ungezwungen aus dem Vollen: Er atmet Heimatluft, kennt die Geschichte der Talschaft und weiss, die Ortsansässigen mit ihren Eigenheiten humor- und respektvoll zu schildern und zu nehmen. Hätte Kommissar Gubler die Mauern um das Geheimnis nicht besser ruhen lassen? Eine echt empfehlenswerte Krimilektüre aus dem Oberengadin.

Andrea Gutgsell: Tod im Val Fex. Zytglogge Verlag, S. 193, Fr. 32.-

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