POSTKARTEN BUCHTIPP: Die Faust in die Fresse

Sprache kann gnadenlos sein. «Man vermeidet ein leer stehendes Gesicht», heisst es in einem Gedicht von Anna Frey, «das bietet zu viel Raum für eine Faust in die Fresse». In der Lyrik der Rapperin, Performerin und Regisseurin finden sich immer wieder solche Sätze, und das verflixte an ihnen ist, dass man manchmal erst beim zweiten Lesen merkt, wie zum Verzweifeln tückisch sie angelegt sind. Die Texte, die sie in ihrem ersten Gedichtband «So eine ist sie» versammelt hat, sind lakonisch, doppelbödig. Manchmal bös, dann wieder zärtlich, aber auf eine Weise, die sich jeder vorschnellen Versöhnung verweigert.

Auf wenigen Versen entwirft Anna Frey Szenen, hinter deren bizarrem Humor sich Abgründe auftun: «Mit Anlauf wirft sie sich / der Vergeblichkeit entgegen», heisst es in einem Gedicht, und weiter: «Sie hat sich geschminkt / dabei kann sie kaum noch gehen / was sie in Highheels tut». Todtraurig ist das. Und zugleich von einer bizarren Komik.

Man spürt Anna Freys Gedichten an, dass sie vom Klang aus gedacht sind. Diese Verse wollen gesprochen, gesungen, manchmal auch geschrien sein. Als Teil des Duos «Anna&Stoffner» tourt Frey seit Jahren durch die Schweiz, mit emotionalen, manchmal düsteren und immer klugen Texten. Ihre Verse setzen sich im Kopf fest. «Wir sind unser Problem. / Du meins und ich deins / bleiben wir ungelöst / noch ein bisschen / zusammen». Man muss sie spüren, die hintergründige Ironie, die da zwischen den Wörtern steckt. In den Leerstellen, den Pausen, die das enthüllen, was die Sprache verschweigt.

Anna Frey: So eine ist sie. Lyrik. Verlag die Brotsuppe, Biel 2023. 72 S., Fr. 29.90

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