POSTKARTEN BUCHTIPP:
Vorwärts und rückwärts

Buchstaben sind Quelle allergrösster Kreativität. Je nachdem, wie sie sich aneinanderreihen, erhalten sie neue und unerwartete Bedeutungen. Besonders faszinierend werden die Worte und Sätze dann, wenn sie vorwärts und rückwärts gelesen werden und und die Reihenfolge der Buchstaben die gleiche bleibt. Das sind sogenannte Palindrome, die nicht nur Dichterinnen und Dichter seit jenher begeistern, sondern auch Kinder, die irgendwann Vornamen und Worte rückwärts lesen und über «Anna», «Reitier», «Rentner», «Uhu» oder «tot» lachen und staunen.

Ein exquisiter Meister solcher Kreationen ist Anton Bruhin. Den Schwyzer Künstler, Musiker und Schriftsteller fasziniert dieses scheinbar Einfache. Zwischen 1991 und 2002 schuf er Aberdutzende von Spiegelgedichten und weiteren Palindromen, die nun in einem Nachdruck wieder erhältlich sind. Zum Glück, muss man hinzufügen, denn seine Einzeiler, Reihen und Gedichte, sind nicht nur sprachlich virtuos, witzig und verspielt. Sie entfalten darüber hinaus immer wieder eine unerwartete, poetische Strahlkraft. 

Mal wirken sie lautmalerisch: 

Ein O-Ton, 

o Monotonie!


Mal philosophisch wie in «Leichenmahl»:

Esse Gras mit Beleg,

nur esse besser ungelebt im Sarg,

esse!


Oder herrlich dadaistisch wie in «gebranntes Kind»:

Renne, Kavalier,

besser esse Brei –

Lava krosser per

Repressor, Kavalier,

besser esse Braei – 

Lava-kenner!

Ein wundersames Buch voller fantastischer Sprachbilder und gespiegelter Gedichte, welche die wundersame Magie der Buchstaben entfachen.

Anton Bruhin: Spiegelgedichte und weitere Palindrome 1991-2002. Verlag Urs Engeler 2003, Blacklist 011 (Neuauflage 2021),. 179 S., Fr. 20.-

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