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POSTKARTEN BUCHTIPP: Schwarzweisses Drama
Der feine Rauchfaden aus der ikonischen Detektivpfeife kräuselt sich bergwärts. Wie in einem Vexierbild windet er sich als Wanderweg über den Gemmipass. Die Ausdruckskraft von Hannes Binders Handschrift oder vielmehr seine kunstreiche Schabtechnik springen bereits im Titelbild von «Sherlock Holmes. Das letzte Problem» ins Auge: Rhythmisch ritzt der Illustrator Linie neben Linie in die geschwärzte Gipsfarbenfläche, mal kraftvoll, mal fragil, mal voller Strenge, dann voller Schalk. Binders Griffel verleiht der Erzählung von Arthur Conan Doyle, in der Dr. Watson Holmes letzten Gang an die Reichenbachfälle im Berner Oberland schildert, eine eigentümliche Schärfe. Der Autor wollte seinen Detektiv 1893 würdevoll beerdigen. Nicht so Binder, er hängt an dem analytischen, scharfen Beobachter, will ihn warnen. Die Linien und Schraffuren steigern sich wie ein hintergründiges Donnergrollen, die Drohkulisse türmt sich auf, der Blick irrt durch die verengenden Perspektiven der schneebedeckten Bergtäler, selbst die zersplitterende Meringueschale wirkt wie ein Warnschrei. Binders Spannungsbogen birst im tosenden Gischt der Wasserfälle. Auch da ist das Augenzwinkern nicht fern: Binder weiss, dass Sherlocks Schöpfer dem Druck der Fangemeinde nachgab und der Meisterdetektiv einige Jahre später wieder ermitteln wird.
Seit Hannes Binder 1988 erstmals «Der Chinese» von Friedrich Glauser bildlich adaptierte, ist sein Strich unverwechselbar. Seine Wirkung liegt im schwarzweissen Erfassen des Ungesagten, das zwischen den Zeilen schlummert.
Hannes Binder / Arthur Conan Doyle. Das letzte Problem. NordSüd Verlag, S.56. Fr. 20.90
Auch englisch erhältlich: The Final Problem (Übersetzung: David Henry Wilson)