POSTKARTEN BUCHTIPP   Flametti und Tenderenda: zwei literarische Dada-Figuren aus Zürich

Hugo Ball, eine zentrale Figur der Dada-Bewegung und einer der Gründer des Cabaret Voltaire, hat durch seine Zürcher Jahre im Exil einen massgeblichen Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte geleistet. Die beiden Prosa-Werke, die während dieser Zeit entstanden sind, «Flametti oder Vom Dandysmus der Armen» und «Tenderenda der Phantast», bieten faszinierende Einblicke in die rebellische und avantgardistische Natur der Dada-Bewegung. 

Im Jahr 1915 kam Hugo Ball gemeinsam mit Emmy Hennings in die Schweiz und gründete 1916 das Cabaret Voltaire, das als Geburtsstätte der Dada-Bewegung bekannt wurde. 

«Flametti» taucht tief in die Welt des Varietés ein, gewährt Einblicke in das lebendige Zürcher Vergnügungsviertel und zeichnet fesselnde Porträts der Künstler und der Exilgemeinde, zu der auch Ball selbst gehörte. Der expressionistische Roman  präsentiert ein beeindruckendes Panorama der Künste, das die Musik, die Performances und die Lebensrealitäten der Künstlertruppe auf einzigartige Weise einfängt. 

Flametti, der Direktor des Variététheaters, wird als liebenswürdiger Exzentriker und dickköpfiges Genie beschrieben, der mit einer eklektischen Truppe von Jongleurinnen, Jodlern, Kraftprotzen, Betrügern und Hochstaplern ein aufregendes Programm auf die Bühne bringt. Ball beschreibt den mühevollen Weg zum Erfolg, gespickt mit Höhen und Tiefen, wobei die Grenzen der bürgerlichen Konventionen im Sinne einer neuen, radikalen und anarchistischen Geisteshaltung über Bord geworfen werden.

Die literarische Reise durch Balls Zürcher Jahre setzt sich in «Tenderenda der Phantast» fort, einem ungestümen und wild überbordenden Textkonvolut, das zwischen Herbst 1914 und Juli 1920 entstand. Dieses geheime Vermächtnis Dadas erzählt von einem Scharlatan, der scheinheilig die bevorstehende Himmelfahrt predigt. Ball spielt geschickt mit sprachlichen Hohlformen der Religion und nutzt avantgardistische Techniken, um eine blasphemische Revue mit betenden Hunden und surrealistische Bilder zu erschaffen.

Die vorliegende, ausführlich kommentierte Neuedition beider Werke gewährt den Lesern einen noch tieferen Einblick in das faszinierende Schaffen von Hugo Ball. Die Kommentare bieten nicht nur Kontext und erläutern die Hintergründe seiner Exiljahre, sondern machen auch die Vielschichtigkeit und den künstlerischen Reichtum seiner Werke deutlich. Zusätzlich beinhaltet die Sammlung Übersetzungen von Ball aus dem bedeutenden französischen Antikriegsroman «Le Feu» von Henri Barbusse, was weitere Facetten seines literarischen Schaffens zeigt.

Das vorliegende Buch ist in jeder Hinsicht ein Gewinn und Genuss, da es die künstlerische Reise Hugo Balls, dieses bedeutenden Dadaisten, in all ihrer Vielfalt erlebbar macht. Es hebt nicht nur die historische Bedeutung von Balls Zürcher Jahren im Exil hervor, sondern würdigt auch seine bleibende Spur in der Literatur- und Kulturgeschichte.

Hugo Ball: Erzählende Prosa. Hrsg. Eckhard Faul. Wallstein Verlag. Reihe Hugo Ball, Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 6; S. 551, 31 Abb., etwa Fr. 66.-

 

👉️📕 In «99 beste Schweizer Bücher» ist Hugo Balls «Flametti oder Vom Dandysmus der Armen» (1918) aufgeführt.

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