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POSTKARTEN BUCHTIPP: Der graue Antiheld
Der graue Antiheld
Grau ist eine Farbe. Grau ist auch Ausdruck eines Charakters. Eintönig, gleichförmig, einfallslos. So lebt der Beamte Peter. Eines Tages kommt eine Polizistin zu ihm. Sein Kind sei gestorben. Peter reagiert ungerührt und emotionslos. Ihm fehlt «irgendwie ein Empfindungschromosom» – und dieses fehlende Empfindungschromosom prägt seine Biographie. Seine Kindheit, seine Ehe, seine Arbeit. Grau und unspektakulär. Seine Frau hat sich an ihn gewöhnt. «Sie ist froh, wenn er sie in Ruhe lässt. Und sie lässt ihn in Ruhe, und er ist glücklich.»
Dennoch gelingt es Peter, seine Umgebung, sein Stammcafé, die Busfahrt und sein Verhalten mit analytischer Beobachtungsgabe zu beschreiben. Seine Herkunft, seine Schulzeit, seine emotionalen Defizite erhalten farbige Nuancen. Das Grau wird durchbrochen.
Während einer Geschäftsreise, die Peter nach Nancy in Frankreich führt, vertraut ihm eine Frau ihren Sohn Zéphyr an. Er, Peter, soll ihn nach Basel bringen. Ein ungleiches Paar. Doch Peter findet einen Draht zu dem Jungen. Der seltsame Zéphyr löst etwas Unerwartetes aus. Empathie und Spontanität. In Mulhouse halten die beiden an, unterhalten sich, übernachten in einem Hotel. Peter erzählt endlos skurrile Geschichten, Zéphyr gewinnt Vertrauen und Sympathie für den «Grauen Peter», so der Titel des Buchs.
Der in Berlin lebende Schweizer Autor und Filmemacher Peter Zschokke macht aus einer unscheinbaren Figur einen Antihelden, der einem, gefangen in seiner grauen Innenwelt, mehr und mehr ans Herz wächst.
Matthias Zschokke: Der graue Peter. Rotpunktverlag. 176 S. etwa Fr. 28.-