POSTKARTEN BUCHTIPP: Über Parkett und Kopfsteinpflaster

Über Parkett und Kopfsteinpflaster

Josephine Wyss ermittelt in Zürich vor 100 Jahren. Das ist keine Selbstverständlichkeit, widerspricht dies doch dem damaligen Frauenbild. Das «schwache Geschlecht» soll abgeschirmt leben, aber die Alltags- und Arbeitsrealität hält vor Müttern, Töchtern, Gewerblerinnen und Arbeiterinnen nicht inne. Die Autorin Miriam Veya liegt mit ihrem Erstling «Tod im Cabaret Voltaire» im Trend. In historischen Kriminalromanen, namentlich der Zwischenkriegszeit, wagen sich erste Frauen in den Dunstkreis der Polizei, an der Seite von Kommissaren oder als Polizeiärztin tauchen sie auf zwischen den Buchseiten. Genau hier liegt einer der Reize von Veyas Buch: Sie zeichnet ein authentisches Bild des Lebens von Alt-Zürich. Die Lesenden laufen über die holprigen Altstadtgassen und durch Quartiere, kehren in verrauchte Gaststätten ein, landen im Polizeiposten auf der Gemüsebrücke. Und mitten in der Beschaulichkeit pulsiert eine unkonforme Insel, das künstlerisch-avantgardistische Cabaret Voltaire.

Josephine Wyss-Vonarburg ist zehn Jahre zuvor durch ihre Ehe aus dem Kokon der Zürcher Oberschicht ausgebrochen. Jetzt, frisch verwitwet, soll sie nach dem Willen ihrer Eltern zurück nach Hause. Gleichzeitig bittet eine Tänzerin aus dem dadaistischen Cabaret sie um Hilfe: Eine Freundin ist verschwunden. Dann liegt eine erschlagene Tote auf der Bühne. Die gut ausgebildete und initiative Josephine zweifelt an ihren Fähigkeiten, die Männerwelt belächelt sie sowieso. Doch die Frau ist unnachgiebig und schreckt auch vor der Gefängniszelle nicht zurück. In manchen Situationen sieht frau einfach klarer. Miriam Veya schildert im gut recherchierten Kriminalroman nicht nur eine turbulente, lautstarke Cabaret-Aufführung, sie nimmt die Lesenden mit auf einen kurzweiligen Spaziergang zwischen die atmosphärisch dichten Schichten des damaligen Zürich.

Miriam Veya: Tod im Cabaret Voltaire. Zytglogge. 336 S. ca. Fr. 29.-

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