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POSTKARTEN BUCHTIPP: Ein helles Flüstern
Philippe Jaccottet hat uns ein zartes, letztes Notizbuch hinterlassen: «Clarté Notre-Dame». Der renommierte Lyriker und Schiller-Preisträger versammelt unter dieser Form seine Beobachtungen und Reflexionen über die Welt – in diesem letzten Bändchen die Überlegungen aus den Jahren 2012 bis 2020, bevor er letztes Jahr verstarb. Sein hohes Alter liess den 1925 in Moudon (VD) geborenen und seit 1953 zusammen mit seiner Frau in der südfranzösischen Drôme lebende Poet über das Leben, Begegnungen und Vergänglichkeit sinnieren. Die Schrecken der Gegenwart, die Kriege und Folterkeller in Syrien, schrammen jedoch wie Bruchkanten in die Erinnerungen des 95-Jährigen. Der Wind trägt auf den Spaziergängen entlang des Flüsschens den fernen Glockenschlag des Klosters «Clarté Notre-Dame» ans Ohr. Ihr heller Klang in der Stille der Landschaft vermittelt einen Glücksmoment, den er geniessen will. Mal friedlich, mal schmerzhaft begleitet Jaccottet das Ende unausweichlich durch die Texte, jetzt aus dem Französischen übersetzt von seinen Vertrauten Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Uns begleiten das letzte Werk und die mit unendlicher Sorgfalt gewählten Worte des grossen Poeten weiter wie ein sanftes Flüstern in der Stille.
Philippe Jaccottet: Clarté Notre-Dame, Gedichte und Prosa. Edition Petrarca, Wallstein, 2021. Edition Petrarca, 111 S., ca. Fr. 32.-
Siehe auch Beitrag in «99 beste Schweizer Bücher» zu Philippe Jaccottet «Israel, blaues Heft»