BUCHTIPP ZU WEIHNACHTEN:
Das Klopfen des Hagels auf dem Dach

Das Klopfen des Hagels auf dem Dach

Vor anderthalb Jahren hat Fabio Andina einen kleinen, feinen Roman vorgelegt: «Tage mit Felice» erzählt vom Leben in einem Tessiner Bergdorf. Vom stillen Alltag, der dem gilt, was getan werden muss, und von Menschen, die es schaffen, dem Einerlei des Daseins etwas mehr abzugewinnen als das, was man braucht, um überleben zu können. Was «Tage mit Felice» zum Ereignis macht, ist der zugleich nüchterne und zärtliche Blick, mit dem Andina Menschen und Dinge betrachtet. Er beschönigt nichts, und manchmal scheint der Autor selbst überrumpelt von der Anmutung von Schönheit, die unvermittelt im Unscheinbaren aufblitzt. In einem tropfenden Wasserschlauch vielleicht. Andinas neues Buch «Momenti Ticinesi» ist eine Sammlung von Miniaturen. Beobachtungen, auf wenige Zeilen verdichtete Erzählungen, Prosagedichte: die Farbe des Abends über einem Dorf, das Klopfen des Hagels auf einem Eternitdach, die Kälte, die in alten Steinhäusern sitzt und vom Kaminfeuer nie ganz vertrieben wird. Andinas Sprache ist den Skizzen von Lorenzo Custer verwandt, die die Texte illustrieren: klar, elegant und auf das Wesentliche reduziert.

Fabio Andina, Lorenzo Custer: Tessiner Horizonte / Momenti Ticinesi. Übersetzung aus dem Italienischen von Karin Diemerling. Rotpunkt-Verlag, Zürich 2021. 128 S., Fr. 29.–

Siehe auch «Tage mit Andina»