POSTKARTEN-BUCHTIPP:
Schonungslose Spurensuche

Er ist einer der grossen Schweizer Literaten, der mit seinen Figuren, allen voran dem legendären Wachmeister Studer, schonungslose Blicke in die Gesellschaft und ihre Milieus wirft. Genauso schonungslos, ehrlich und offen ist Friedrich Glauser mit sich selbst. Er, der wie ein «Seilkünstler» durchs Leben balancierte, stürzte immer wieder ab. Die Literaturwissenschafterin Christa Baumberger hat in einem wunderbaren Band «Jeder sucht sein Paradies…» Briefe und Berichte von und an Glauser sowie Faksimiles und Fotografien zusammengetragen. Es ist eine Spurensuche zwischen Hoffnung und zunehmender Desillusion, ein Aufbegehren des immer wieder drogensüchtigen Sohns gegen seinen Vater, gegen den Vormund, gegen die Kliniken und gleichzeitig ist es ein lebendiges, gesellschaftliches Porträt der Zeit. Glauser schreibt in einer nüchternen, gewaltigen Sprache. Eindringlich und berührend.

Friedrich Glauser: „Jeder sucht sein Paradies…“. Briefe, Berichte, Gespräche. Herausgegeben von Christa Baumberger / Mit Illustrationen von Hannes Binder. Limmat Verlag, Zürich 2021. 520 S., Fr. 64.-