POSTKARTEN BUCHTIPP: Reisen im Schatten der Wahrheit.

Zwischen Zürich, Paris, Asien und Bissau spannt David Signer in «Das Ende der Maskeraden» ein Netz aus Orten, die riechen, schimmern, schwitzen. Nichts wirkt exotisch aufgeblasen. Alles ist nah. Der Ethnologe und NZZ-Reporter Signer weiss, wo die Welt brüchig wird – dort, wo der Westen seine Gewissheiten verliert und alte Kräfte zu flüstern beginnen.

Erich will seinen toten Freund Xaver retten, wenigstens im Gedächtnis. Ein Nachruf, denkt er. Ein Versuch, das Entgleiten aufzuhalten. Xaver war ein Abenteurer, ein Manipulator, ein Mann, der sich gern neu erfand. Heute Reisender, morgen Heiler, dann wieder Dealer. Er probierte Leben an wie Masken. In afrikanischen Hinterzimmern liess er sich in Rituale ziehen, in denen schwarze Magie und Geschäft ineinanderfliessen. Drogen erweiterten sein Bewusstsein. Oder zerfaserten es. Wer weiss das schon genau.

Signers Stil ist knapp. Fast karg. Doch in den Leerstellen wachsen Schatten, Geschichten, die sich verschieben. Immer wieder fragt man sich: Erzählt Erich die Wahrheit? Oder mischt er seine Sehnsucht unter die Fakten? Xaver wird gleichzeitig greifbarer und verwischter – ein Mann mit dunklem Charisma. Ein Suchender, der Realität und (Lebens-)Rausch verwechselte. Vielleicht ein Hochstapler. Vielleicht ein Getriebener, der sich von unsichtbaren Kräften lenken liess.

Irgendwann richtet sich der Blick auf den Erzähler selbst. Sein Ton verrutscht. Er verheddert sich in Details, die nicht stimmen können. Die Polizei, die Xavers Tod untersucht, fragt nach. Die Schuldfrage glimmt. Was verschweigt Erich? Wo endet Erinnerung, wo beginnt Erfindung?

Signer zeigt, wie fragil Identität ist. Wie leicht Freundschaft in Konkurrenz kippt. Wie schnell ein Leben zur Legende wird – oder zur Lüge. Die Masken fallen nicht; sie wechseln nur das Gesicht.

Am Ende bleibt ein Nachhall – leise, doch beharrlich. Dieser Roman öffnet ein Fenster in eine Welt, in der jede Wahrheit flackert und in der das Erzählen selbst ein riskantes Spiel wird – ein Tanz zwischen Licht und Dunkel, zwischen dem, was war, und dem, was wir gerne glauben möchten.

David Signer: «Das Ende der Maskeraden». Lectorbooks, Zürich 2025, 158 S., Fr. 20.–/30.–

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