POSTKARTEN BUCHTIPP: Tödliches Tessin

«Die Haustüre war unverschlossen», beginnt das 1. Kapitel von «Mord in Montagnola», und genauso leichtfüssig treten die Lesenden ein in die Atmosphäre des sonnenverwöhnten Tessins. 

Mit leichter Feder, viel Wärme und Detailreichtum schildert Mascha Vassena ihre Wahlheimat, die teils schrulligen Protagonisten und Örtlichkeiten. Das malerische Dorf oberhalb von Lugano bietet die Kulisse für den Tatort und Wohnort der ermittelnden Übersetzerin Moira Rusconi. Doch entgegen der Annahme beim Lesen des Titels, dass der ab 1919 für über vier Jahrzehnte dort lebende Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse Dreh- und Angelpunkt des Plots würde,  bestätigt sich nicht. Vielmehr ist Rusconis Vater, ein kauziger, pensionierter Literaturprofessor, liebevoller Schirmherr über sein Heimatdorf. Die fünf nach seinen Lieblingsautorinnen genannten Kätzinnen sorgen mit ihren Eigenheiten fürs Schmunzeln.
Der in einem traditionellen Eiskeller gefundene Tote lebte beliebt in Montagnola. Moira hilft dem charmanten Rechtsmediziner und der Polizei bei den Ermittlungen, was ziemlich unrealistisch ist. Nichtsdestotrotz benötigen viele Zugezogene im Tessin wegen ihrer rudimentären Italienischkenntnissen tatsächlich Übersetzungshilfe. Stück für Stück knüpft die Autorin die offensichtlichen und kaschierten Beziehungen innerhalb der Dorfgemeinschaft zu einem mörderischen Netz. Parallel steigt die Spannung, nicht peitschend wie in einem  Thriller, vielmehr gekonnt eingepasst in die  idyllische Landschaft und schroffen Berghänge ohne lose Enden zum Schluss. Kurz: eine gut geschriebene Ferienlektüre voller Lokalkolorit.

Mascha Vassena: Mord in Montagnola. Eichborn Verlag, 2022, S. 367. ca. Fr. 25.-

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