POSTKARTEN BUCHTIPP: Poesie des Bündner Dorfs

Der Bündner Arno Camenisch hat ein neuen Sound in die Schweizer Literatur eingeführt, eine verführerische Feel-Good-Mischung aus Deutsch und Rätoromanisch. Nun erhebt sich mit Lea Catrina eine neue Stimme, welche den Churer, Rheinwalder und Schamser Dialekt  ebenso natürlich und geschickt in ihre Prosa einflicht. «Öpadia» nennt sich die  «Novella us Graubünda», welche in Andeer spielt. Wir tauchen ein in den Alltag der bald 80-jährigen Juli, ein Urgestein im Dorf, die ihren geregelten Alltag lebt. Langsam, unspektakulär mutet ihr Leben an, das ebenso langsam aus den Fugen gerät. Auslöser ist der Bau einer Autobahnkirche an der A13 in Andeer, bei dem die Emotionen hochgehen. Lea Catrina gelingt es, die Dorfgemeinschaf mit ihre Fixpunkten Kirche und Gemeindeversammlungt, ihre Bewohner und den Lauf der Dinge mit viel Beobachtungsgabe und Feingefühl zu beschreiben.

Die Novelle besitzt darüber hinaus eine zweite sprachliche Ebene. Die Lyrikerin Martina Caluori unterstreicht oder kommentiert mit mit kurzen Gedichten die Handlung und erweitert den Erzähl- und Erfahrungsraum poetisch. Eine gelungene Ergänzung:

Was wäär,
wenns anderscht wäär?
Vilicht wäärs
khaiba schwäär

Was wäär,
wenns anderscht wäär?
Vilicht wäärs
gar nicht so präkhäär

Was wäär,
wenns anderscht wäär?
Vilicht wäärs
aifach z lang sithär

Man gerät in den Sog der Sprache und der Erzählung und hofft auf eine Fortsetzung des vielversprechenden Duos Lea Catrina und Martina Caluori. 


Lea Catrina, Martina Caluori: «Öpadia. A Novella us Graubünda». Arisverlag, 2021, 160 Seiten. 24.90 Franken

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