POSTKARTEN BUCHTIPP: Geschichten aus glasiertem Mosaik

Die 48 Kurz- und Kürzestgeschichten in «Hotel der Zuversicht» von Michael Fehr bezaubern, verführen, entführen. Aus den Worten auf dem Papier winden sich fantasievolle Erzählungen heraus, die wie Gesprochenes im Innenohr nachhallen, voller Rhythmus und Wortklang. So ergeht es dem «einfachen Mann» im ersten Text: Er entschwindet unvermutet mit einem fliegenden, verworren gemusterten Teppich und landet nach beängstigendem Flug auf einem glasierten, hellblauen Mosaikboden. Dort, im Unbekannten, zwischen filigranen Mauerbögen und Kuppeldach, fliegt der Teppich wieder davon, doch verspürt der Mann keinerlei Unruhe, da der blauen Boden zu seinen Füssen unendliche Zuversicht verströmt. In weiteren Geschichten begegnen die Lesenden sprachlich raffiniert, voller Repetitionen und Variationen Geschäftsmännern und Wissenschaftlern, Erfinderinnen und Spioninnen, Schulkindern. Sie prallen auf Modeschöpfer und Bankiers, eine Verlobte und eine resolute Rezeptionistin im silberblauen Interieur eines antiquierten Palasthotels, die dem roten Ferrari-Fahrer die Türe weist.   

Michael Fehr führt seine skizzierten Aperçus und Porträts mit kräftigen Linien und Farben durch traumwandlerische Lebensräume, mal voller abgründigem Realismus, mal mit hintergründigem Humor. Er konfrontiert die Lesenden fast schelmisch mit ihrem Denken und Fühlen und lässt sie erwartungsfroh auf seine skurrilen Figuren und Erzählungen prallen. Ein kurzweiliges, vielschichtiges Lesevergnügen!


Michael Fehr
«Hotel der Zuversicht». Der gesunde Menschenversand, 2022. 192 S., ca. Fr. 29.-

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