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Ohne Kopfstützen
«Ich muss ihn suchen, den Töter meines Vaters». Zora del Bono sorgt in ihrem neuesten Roman gleich zu Beginn für klare Verhältnisse. Der Titel «Seinetwegen» ist bewusst in der schuldbeladenen Bedeutung von «durch sein Verhalten» gewählt und nicht im Sinn von «ihm zuliebe». Im autofiktionalen Roman fahndet die Autorin nach dem Unfallverursacher, der verhinderte, dass sie den Vater kennenlernen konnte. Die späte Spurensuche durch Archive, mit Hilfe von Zeitzeugen und entlang von Erinnerungen, collagiert del Buono 60 Jahre später journalartig aus verschiedenen Textsorten.
«Und plötzlich liegt alles offen da.
Fünfzehn behördliche Schreibmaschinenseiten, vergilbtes Papier, geschwärzte Stellen, Stempel, Unterschriften.»
Mit Blick in die Ferne, über die Hügel hinab in die Linthebene fahndet die Tochter weiter, will wissen, wie der Schuldige war, wer er war. Der Roman geht nicht linear vor. Die Autorin warnt Verkehrssünder vor Regressforderungen der Motorhaftpflichtversicherung, später schreibt sie über Heimweh. Schnipsel der Biografien mischen sich mit Zeitgeschichte, Gesprächsfetzen wirbeln auf wie raschelnde Herbstblätter in einer Windböe oder unter den suchenden Schritten der spazierenden Autorin. Sie schreibt klug, präzise, analysiert. Poesie schwingt mit.
Zora del Buono nähert sich in ihrem Roman dem Täter. Seinetwegen ist sie vaterlos aufgewachsen. Gleichzeitig schimmert, je länger man liest, ein weiterer Sinn von «Seinetwegen» durch die Zeilen: «Ihm zuliebe» schreibt sie und knüpft eine zarte Verbindung zum unbekannten Vater in jener Zeit, in der sie die starke Mutter an die Demenz verliert. Der Mutter, die ihr Leben ohne ihren Ehepartner leben musste, gilt Zora del Buonos Dank auf der letzten Seite.
Zora del Buono : Seinetwegen. C.H.Beck, 2024. 205 S., etwa Fr. 36.-
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