Reise ins Ungefähre: Reale Räume und imaginäre Landschaften in der Schweizer Literatur

Am Anfang steht eine zufällige Begegnung. Zwei Frauen treffen sich, sind fasziniert voneinander. Sie sind unkonventionell und unangepasst, neugierig und weltoffen. Schriftstellerinnen, Abenteurerinnen und Intellektuelle. Sie wollen die Welt erkunden, Grenzen überschreiten, neue Landstriche und Völker kennenlernen, in andere Kulturen eindringen, und sie wollen schreiben.

Ella Maillart und Annemarie Schwarzenbach brechen am 6. Juni 1939 über die Türkei und Iran auf nach Afghanistan. Die Reise verläuft anders als erwartet, ist aber hochproduktiv. Sie dokumentieren ihre Erlebnisse, Beobachtungen und Eindrücke in Artikeln, Fotografien und Büchern, die als Klassiker der Reise- und der Schweizer Literatur gelten. Die äusseren und die innere Räume, die Gegenwart und die Vergangenheit, die Welt und die Schweiz legen sich wie filigrane Schichten übereinander und durchdringen die Texte.

»Der bittere Weg« und »Das glückliche Tal« sind gleichsam Sinnbild für unsere subjektiv gefärbte Reise durch 250 Jahre Schweizer Literatur, die mit dem Buch “99 beste Schweizer Bücher” beginnt und auf dieser digitalen Plattform über die Webseite, Facebook, Instagram und Twitter weitergeführt wird. Diese Reise handelt von Auf- und Ausbrüchen, vom Erkunden bekannter und unbekannter Landschaften, realer und fiktiver Orte, von starken Figuren und kleinen Menschen, Heldinnen und Versagern, Zweiflern und Verzweifelten. Sie beobachten und handeln, erzählen und erinnern sich in den vier Landessprachen. Ihre Wege führen aus der Schweiz, durch die Schweiz oder in die Schweiz.

Die Literatur, die in der Schweiz geschrieben wird und geschrieben wurde, ist eine wahre Fundgrube an Geschichten und Figuren, die viel über dieses Land, seine Entwicklung, seine Besonderheiten und die Menschen aussagt, die hier
leben und gelebt haben. Sie ist reich an künstlerischen Verfahren: Manche Texte sprühen vor Experimentierlust und schlagen Funken aus der Sprache, andere haben einen langen epischen Atem.

Doch die Schweizer Literatur ist hierzulande viel zu wenig bekannt. Ausser den Klassikern und den aktuellen Bestsellern kennt man diesen literarischen Reichtum kaum. Blickt man in die anderen Landesteile und Sprachregionen, ist das Ergebnis noch ernüchternder. Diese Erkenntnis mag frustrierend sein. Umso mehr, als es immer wieder Literaturwissenschaftler und Kritikerinnen gibt, die sich mit grossem Engagement für Texte aus der Schweiz einsetzen.
Uns motiviert die Erkenntnis, es auf eine andere Art zu versuchen. Als passionierte Leserinnen und Leser lassen wir uns von unserer Leidenschaft leiten und weisen auf eine Auswahl von Büchern aus der ganzen Schweiz hin, die es zu lesen und wiederzuentdecken gilt. Schicksale, Empfindungen, Gedanken, Geschichten oder Stimmungen aus der Gegenwart und der Vergangenheit, die zu uns sprechen, uns packen, deren Stimmen zur Vielfalt und zum besseren Verständnis dieses Landes beitragen.

Was sagt diese literarische Reise, die mit Annemarie Schwarzenbach und Ella Maillart begonnen hat, über die Schweiz und ihre Literatur? Dass die vielen Stimmen, Beobachtungen, grossen und kleinen Dramen, die in realen wie imaginären Räumen und Landschaften aufeinandertreffen, das literarische Grundwasser der Schweiz bilden.

Die #büCHerstimmen