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In der Finsternis des Kriegs

Am 5. März 1944 wird Giuseppe Vaglio in der Dunkelheit seines Heimatdorfes Cremenaga von der SS verhaftet. Ein Schreiner, der Juden und Partisanen über den Grenzfluss zur Flucht in die Schweiz verhilft, wird zum Spielball der Geschichte. Er wird in die Abgründe der menschlichen Grausamkeit und Sinnlosigkeit gestossen. Fabio Andina erzählt in «Sechzehn Monate» die bewegende Geschichte seines Grossvaters, der 16 Monate in Gefängnissen und im Konzentrationslager Mauthausen verbringen musste.

Die Erzählung wechselt fliessend zwischen den Perspektiven von Giuseppe, der im Lager Folter, Willkür und Hunger erleidet, und seiner Familie, die in Cremenaga auf seine Rückkehr hofft. In dieser Zeit von Unsicherheit, Gefahr und Leid wird die Dorfgemeinschaft zum Halt. Andina fängt die Trauer und den Schmerz von Giuseppes Frau Concetta und der Kinder ein sowie deren Willen, den Unsicherheiten und Entbehrungen zu trotzen. Es ist diese tiefe Zuneigung, diese unerschütterliche Liebe, die in realen und fiktiven Briefen zum Ausdruck kommt und die Hoffnung bis zur Rückkehr am Leben hält.

Die Natur um den Grenzfluss Tresa, mit ihren sanften Hügeln und blühenden Wiesen, wird zum stillen Zeugen der Leiden und Hoffnungen der Menschen. In Anklang an seinen preisgekrönten Roman «Tage mit Felice» beschreibt Andina die Landschaft lebendig, als spräche sie direkt zu den Protagonisten und zu uns. Diese Bilder schaffen eine tiefe Verbindung zwischen den Figuren und den Leserinnen, wodurch die Emotionen und inneren Kämpfe umso greifbarer werden.

Der Roman besticht durch eine klare, schnörkellose Sprache. Andina verzichtet auf überflüssige Ausschmückungen und setzt auf prägnante Beschreibungen, die die Authentizität der Geschichte verstärken. «Sechzehn Monate» ist mehr als ein Bericht über die Schrecken des Krieges. Es ist ein eindringliches Porträt der menschlichen Widerstandskraft, der Liebe und der Hoffnung, die selbst in den dunkelsten Zeiten bestehen bleibt.

Eine literarische Hommage an die Grosseltern und ihre Dorfgemeinschaft beruhend auf wahren Geschehnissen.

Fabio Andina: Sechzehn Monate. Übersetzt von Karin Diemerling. Rotpunktverlag EditionBlau, 2025, 210 S. Etwa Fr. 30.-

Fabio Andina, Sedici mesi, Rubbettino, Soveria Mannelli, 2024

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Schweizer Literaturpreisträger 2025:

Preisverleihung  30. Mai 2025, Solothurner Literaturtage 

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👉📕 Siehe auch Fabio Andina: «Tage mit Felice» und «Tessiner Horizonte»